Schweizer Arbeitsrecht § Grundlagen, Arbeitsvertrag & mehr
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Glücklicherweise gibt es für Arbeitnehmer gesetzliche Regelungen, um das Arbeitsverhältnis zu gestalten und die Rahmenbedingungen des Arbeitsvertrages festzulegen. Doch nicht nur bei einer Kündigung, Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder Differenzen zwischen Kollegen regelt das Schweizer Arbeitsrecht die wichtigsten Punkte, auch während des täglichen Arbeitens kommt man mit den Gesetzen in Berührung – ob nun bewusst oder unbewusst.
- Das Schweizer Arbeitsrecht umfasst alle Angelegenheiten zu Arbeitsverträgen (Einzel-, Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag)
- Grundlage ist vor allem das sogenannte Obligationenrecht (OR)
- Die im Schweizer Arbeitsrecht definierten vertraglichen Grundlagen werden in der Regel zwischen Einzel-, Gesamt- und Normalarbeitsvertrag unterteilt
- Das Datenschutzgesetz, Mitwirkungsgesetz oder das Gleichstellungsgesetz sind eng mit dem Schweizer Arbeitsrecht verbunden
Die rechtlichen Grundlagen des Schweizer Arbeitsrechts
In der Schweiz werden alle grundsätzlichen Aspekte zum Schweizer Arbeitsrecht erst einmal im sogenannten Obligationenrecht (OR) festgelegt. Dieser fünfte und letzte Teil des schweizerischen Zivilgesetzbuches ist sehr umfangreich und regelt hauptsächlich schuldrechtliche Beziehungen zwischen verschiedenen Parteien. Dazu zählen somit natürlich auch Arbeitsverhältnisse.
Zudem gibt es auch über das Gesetz hinausgehend Vereinbarungen, die Einfluss auf das Arbeitsverhältnis haben können. Während im Gesetz zwingende Normen vorgeschrieben sind, bildet der Rest der möglichen Regelungen dispositives, also nicht zwingendes, Recht.
Der Einzelarbeitsvertrag (EAV)
In einem Einzelarbeitsvertrag werden individuelle Absprachen zum Arbeitsverhältnis festgelegt – dies kann entweder schriftlich oder mündlich erfolgen. Die Vertragspartner können durch die generell geltende Vertragsfreiheit die Bedingungen frei gestalten, solange diese nicht durch die gesetzlichen Regelungen „gedeckelt“ werden. Regelt der Vertrag beispielsweise nur den Lohn, gilt bei allen anderen Fragen automatisch das Gesetz.
Damit ein Arbeitsvertrag gültig ist, sind folgende Voraussetzungen zwingend zu erfüllen:
- Die Parteien müssen handlungsfähig sein (mündig und urteilsfähig)
- Eine Einigung über den Vertrag hat stattgefunden
- Der Inhalt muss erlaubt sein
- Die Formvorschriften werden eingehalten
Sollte selbst nur eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben sein, ist der Vertrag als nichtig und somit unwirksam anzusehen!
"Durch den Einzelarbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung eines Lohnes, der nach Zeitabschnitten (Zeitlohn) oder nach der geleisteten Arbeit (Akkordlohn) bemessen wird"
Der Gesamtarbeitsvertrag (GAV)
Im Gegensatz zum Einzelarbeitsvertrag ist das Zustandekommen eines Gesamtarbeitsvertrag ein wenig komplizierter, in erster Linie sind die Grundvoraussetzungen des GAV jedoch auch im Obligationenrecht verankert. Wie jeder andere Vertrag auch kommt der GAV durch übereinstimmende, gegenseitige Willensäußerungen der beteiligten Parteien zustande – und bedarf zur rechtlichen Wirkung der Schriftform.
Der Abschnitt OR 356 Abs. 1 klärt, dass Arbeitgeber oder deren Verbände und Arbeitnehmerverbände gemeinsame Bestimmungen bezüglich des Arbeitsverhältnisses beschließen. Dazu gehören neben Einigungen zum Vertragsabschluss auch Bestimmungen zum Inhalt und der Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse. So handelt es sich um einen Vertrag auf sogenannter „überbetrieblicher“ Ebene, die ein Arbeitnehmer mit einem Verband aus Arbeitgebern abschließt. Damit ein Gesamtarbeitsvertrag gültig ist, müssen folgende Voraussetzungen mindestens erfüllt sein:
- Der Verband ist eine juristische Person und von der Gegenseite sowie von Dritten unabhängig
- Der Verband muss das Ziel haben, die Arbeitsbedingungen zu gestalten
- Der Vertrag ist schriftlich geschlossen worden
Der Normalarbeitsvertrag (GAV)
Bei der Erstellung eines Normalarbeitsvertrages werden durch den Bundesrat oder durch die Kantone für verschiedene Arten von einzelnen Arbeitsverhältnissen Bestimmungen über deren Abschluss, Inhalt und Beendigung aufgestellt (OR 359 Abs. 1). Die aufgestellten Bedingungen können einen zwingenden oder nur einen empfehlenden Charakter haben – was wiederum bedeutet, dass sich die Vertragsfreiheit oftmals ausweiten lässt. In Bereichen, in denen kein Gesamtarbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, können beispielsweise bei wiederholter missbräuchlicher Lohn Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen erlassen werden. Diese Mindestlöhne gelten dann für die gesamte Branche und können nur abgeändert werden, wenn dem Arbeitnehmer durch die Änderung kein Nachteil entsteht.
Weitere gesetzliche Grundlagen des Arbeitsrechts in der Schweiz
Neben dem Obligationenrecht unterscheidet das Schweizer Recht in der Regel zwischen zwingenden und dispositiven Normen. Zwingende Bestimmungen gehen allen anderen Regelungen vor – dazu zählen die Normen von OR 319 ff. (Arbeitsverträge), welche in den Katalogen von OR 361 Abs. 1 und OR 362 Abs. 1 aufgezählt sind. Der Rest bildet grundsätzlich dispositives, also keineswegs zwingendes, Recht. Neben dem Obligationenrecht finden sich auch in anderen Gesetzen Bestimmungen, welche teilweise zwingend sind. Dies sind beispielsweise:
- Arbeitsgesetz, Verordnungen
- Mitwirkungsgesetz
- Datenschutz Gesetz
- Öffentliches Recht (Aufenthalts- u. Arbeitsbewilligungen, Entsendung, Berufszulassung, Betriebsbewilligung)
- Gleichstellungsgesetz
- Arbeitsvermittlungsgesetz
Ein Beschäftigungsverhältnis in der Schweiz wird somit also sowohl durch vertragliche Vereinbarungen als auch durch arbeitsrechtliche, gesetzliche Vorschriften geregelt. Es ist jedoch nicht unüblich, von diesen Vorgaben abweichende individuelle Absprachen zu treffen (beispielsweise andere Kündigungsfristen oder Probezeiten), denn es gilt die Vertragsfreiheit, sodass die Arbeitsbedingungen grundsätzlich frei ausgehandelt werden dürfen.
Schweizer Arbeitsrecht: Zusätzliche Grundlagen
Zwar sind diese nicht gesetzlich geregelt, dennoch können sich auch in den Betriebsordnungen oder Weisungen des jeweiligen Arbeitgebers Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis finden. Durch die gesetzliche Rahmenbedingungen lassen sich diese vom Arbeitgeber in der Regel frei gestalten und sollten vor Vertragsabschluss einmal intensiv „studiert“ werden. Es kann nämlich durchaus passieren, dass vom Arbeitgeber Bedingungen aufgestellt werden, die sich nicht mit dem Gesetz vereinbaren lassen und somit nicht erlaubt sind. Beispielsweise sind gerade bei „schwammigen“ Regelungen mit nicht eindeutigen Gesetzen oftmals auch für die Arbeitgeber einige „Schlupflöcher“ möglich. Daher sollten Sie diese Vorschläge genau prüfen.
Beendigung / Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Je nachdem, durch wen und aus welchem Grund ein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden soll, gelten unterschiedliche gesetzliche Regelungen. Grundsätzlich gilt erst einmal, dass eine Kündigung (beiderseits) formfrei gültig ist, sofern im Arbeitsvertrag keine Formvorschrift vereinbart wurde. Aus Beweisgründen werden die meisten Kündigungen jedoch schriftlich ausgesprochen.
Um beiden Vertragsparteien ein wenig Sicherheit einzuräumen, sind jedoch Kündigungsfristen gesetzlich geregelt. Das Obligationenrecht regelt diese Fristen beispielsweise wie folgt:
- Während der Probezeit: Sieben Tage (OR 335b Abs. 1)
- Während des ersten Dienstjahres: Einen Monat (OR 335c Abs. 1)
- Vom zweiten bis zum neunten Dienstjahr: Zwei Monate (OR 335c Abs. 1)
- Ab dem zehnten Dienstjahr: Drei Monate (OR 335c Abs. 1)
Der gesetzliche Kündigungstermin ist grundsätzlich das jeweilige Ende eines Monats.
Streitschlichtung durch das Arbeitsgericht
Auch in der Schweiz besteht die sogenannte Arbeitsgerichtsbarkeit – immer dann, wenn sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen können, kommt diese Instanz zum Zuge. Das Verfahren wird durch ein Schlichtungsverfahren eingeleitet (ZPO 197), wofür die jeweilige Schlichtungsbehörde am gewöhnlichen Arbeitsort oder am Sitz/Wohnsitz der beklagten Partei (ZPO 34 Abs. 1) zuständig ist. Bis zu einem Streitwert von 30.000 Schweizer Franken ist das Schlichtungsverfahren kostenlos (ZPO 113 Abs. 2 lit. d), darüber hinaus werden Gerichtsgebühren erhoben. Je nach Kanton kommt das kantonale Recht zum Tragen, das für arbeitsrechtliche Streitigkeiten ein Arbeitsgericht (Sondergericht) oder die gewöhnlichen Gerichte vorsieht. Je nachdem, ob sich eine Lösung finden lässt, kann ein Gericht durchaus eine Option zur Streitschlichtung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein.
Wie kann ein Anwalt für Arbeitsrecht helfen?
Kommt es bei Arbeitsverträgen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber und man kann sich nicht einigen, kann es zu einem Prozess kommen. Doch schon bevor es so weit kommt, können Sie mit einem Anwalt Ihren Arbeitsvertrag prüfen und auf Ungereimtheiten überprüfen, falls Sie sich unsicher sind, ob der Vertrag in seiner Form wirksam ist. Darüber hinaus kann Ihnen ein Anwalt auch bei sämtlichen Änderungen des Arbeitsverhältnisses beratend zur Seite stehen, wenn ein Arbeitgeber Anpassungen vornehmen möchte. Ein Anwalt kostet zwar immer Geld, kann Sie jedoch mit seinem Expertenwissen oftmals sehr gut unterstützen.
FAQ: Schweizer Arbeitsrecht
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