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Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann unterschiedliche Formen annehmen und durch Worte, Taten oder Gesten geschehen. Für die Betroffenen kann das eine ernsthafte psychische Belastung mit sich bringen, der Gang zum Arbeitsplatz wird besonders bei wiederholten Vorfällen erheblich erschwert. Zudem kann es schwierig sein, sich gegen solche Übergriffe zu wehren, insbesondere aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder sonstigen Konsequenzen. Zudem stellt sich oft die Frage, was man überhaupt konkret dagegen tun kann. In diesem Artikel erfahren Sie, wann man von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sprechen kann und was man tun kann, wenn man davon betroffen ist.

Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze

Allgemeine Informationen

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz meint ein Verhalten einem Arbeitnehmer gegenüber, das ihm aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit entgegengebracht wird oder einen sexuellen Bezug aufweist und von diesem als belästigend und entwürdigend empfunden wird.

Sexuelle Belästigung kann durch Worte (z.B. sexuelle Anspielungen oder Witze), Taten (z.B. unerwünschten Körperkontakt) oder auch anzügliche Gesten ausgeübt werden, sowohl Männer als auch Frauen betreffen und stellt eine besondere Form der Diskriminierung dar. Bei der Beurteilung steht vor allem das subjektive Erleben der betroffenen Person im Mittelpunkt.

Ob die belästigende Person die Absicht hatte, die betroffene Person zu diskriminieren oder ein sexuelles Entgegenkommen zu erreichen ist dabei nebensächlich.

Wann spricht man von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann unterschiedliche Formen annehmen. Ob sich diese während der Arbeitszeit und direkt am Arbeitsplatz ereignet, ist für die Beurteilung irrelevant. Man spricht also auch dann von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, wenn sich das belästigende Verhalten während eines Betriebsausflugs oder während eines Betriebsanlasses ereignet. Sexuelle Belästigung kann von einer Einzelperson, aber auch von einer Gruppe ausgehen.

Sie kann von Mitarbeitern, Arbeitgebern, Vorgesetzten, Lieferanten oder Kunden ausgeübt werden. Unter sexuelle Belästigung fallen nicht nur Handlungen, die auf ein sexuelles Entgegenkommen abzielen, sondern auch sexistische Äusserungen. Die Absichten der belästigenden Person sind für die Beurteilung jedoch nebensächlich – primär geht es darum, dass das Verhalten vom Betroffenen als belästigend empfunden wird und nicht erwünscht ist.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann sich mitunter folgendermassen zeigen:

  • Bemerkungen oder Witze, die auf das sexuelle Verhalten, die sexuelle Orientierung oder sexuelle Merkmale eines Arbeitnehmers anspielen.
  • Sexuelle Anspielungen über das Aussehen eines Mitarbeiters.
  • Vorzeigen, Aufhängen oder Verteilen von pornografischem Material.
  • Unerwünschte Berührungen.
  • Ungewollte Einladungen mit sexueller Absicht.
  • Verfolgung eines Mitarbeiters.
  • Annäherungsversuche in Verbindung mit dem Versprechen von Vorteilen oder der Androhung von Nachteilen.
  • Sexuelle Übergriffe, Nötigungen oder Vergewaltigungen.

Was kann man als Arbeitnehmer tun, wenn man sexuell belästigt wird?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein heikles Thema und den Betroffenen fällt es zumeist schwer, etwas dagegen zu tun und das Thema auch nur anzusprechen. Oft befürchten die Betroffenen auch, mit Konsequenzen – vielleicht sogar dem Verlust des Arbeitsplatzes – rechnen zu müssen. Doch die Situation einfach hinzunehmen ist auch keine Lösung, ihr Fortbestehen kann zu einer enormen psychischen Belastung werden und manchmal verschlimmern sich die Übergriffe auch, wenn nichts dagegen unternommen wird. Grenzen zu ziehen und für diese einzustehen ist der erste Schritt, wenn man einer solchen Situation ein Ende setzen möchte. Doch was, wenn das nicht gelingt oder es einfach nichts hilft und alles wie gehabt weitergeht?

Inwieweit ist der Arbeitgeber zuständig?

Durch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, ist er nicht nur verpflichtet, seine Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung zu schützen, sondern hat auch dafür Sorge zu tragen, dass ihnen keine weiteren Nachteile entstehen, wenn sie von sexueller Belästigung betroffen sein sollten. Dafür sind geeignete Vorkehrungsmassnahmen zu treffen, wie etwa eine Grundsatzerklärung, dass sexuelle Belästigung im Betrieb nicht geduldet und entsprechend sanktioniert wird. Die Arbeitnehmer sollten zudem wissen, an wen sie sich in einer solchen Situation wenden können. Erlangt der Arbeitgeber Kenntnis davon, dass sexuelle Belästigung stattgefunden hat, ist er verpflichtet, zu handeln.

Das können Sie im Falle von sexueller Belästigung tun:

    • Suchen Sie das Gespräch
      Weisen Sie die Person, die Sie belästigt, darauf hin, dass Ihnen dieses Verhalten unerwünscht ist und fordern Sie von ihr, dass so etwas künftig nicht mehr vorkommt. Sie können dies auch per Brief tun – in dem Fall sollten Sie eine Kopie des Schreibens als Beweismittel aufbewahren.
    • Dokumentieren Sie Ihre Erlebnisse
      Machen Sie sich Notizen, in welchen Sie genau schildern, was wann und wo vorgefallen ist, wer daran beteiligt war und wie Sie darauf reagiert haben. Auch sonstige Anwesende sollten festgehalten werden, denn diese können im Falle eines Verfahrens unter Umständen als Zeugen auftreten. Bewahren Sie diese Notizen und auch sonstige Beweismittel wie zum Beispiel Emails oder Briefe auf, damit Sie diese wenn nötig vorweisen können, wenn Sie rechtliche Schritte einleiten.
    • Setzen Sie sich mit Kollegen in Verbindung
      Sie können auch mit Ihren Kollegen über den Vorfall sprechen. Eventuell haben auch andere Mitarbeiter ähnliches erlebt und wurden ebenfalls von derselben Person belästigt. Wenn Sie mit Ihren Erlebnissen nicht alleine sind, kann Ihnen dies dabei helfen, besser mit der Situation umzugehen und Sie können unter Umständen auch gemeinsam dagegen vorgehen.
    • Wenden Sie sich an eine Vertrauensperson
      Wenn es in Ihrem Betrieb eine Ansprechperson für Fälle sexueller Belästigung gibt, können Sie sich auch an diese wenden und ihr die Lage schildern. Sie erhalten dann Empfehlungen für das weitere Vorgehen und werden auf Wunsch dabei unterstützt, eine Änderung der Situation herbeizuführen. Sie müssen hierbei nicht befürchten, dass ohne Ihre Zustimmung Dinge unternommen werden oder Ihre Kollegen Kenntnis von der Situation erlangen. Die Vertrauenspersonen unterliegen der Schweigepflicht.
    • Suchen Sie eine Beratungsstelle auf
      Es gibt zudem diverse Beratungsstellen, die Ihnen im Falle von sexueller Belästigung weiterhelfen können. Auch hier können Sie in einem geschützten Rahmen über Ihre Situation sprechen und werden dabei unterstützt, damit umzugehen und eine Lösung herbeizuführen. Das Fachpersonal steht ebenfalls unter Schweigepflicht. Eine Übersicht über die Beratungsstellen in den einzelnen Kantonen erhalten Sie hier: https://belaestigt.ch/anlaufstellen/
      Ausserdem bieten auch manche Berufsverbände und Gewerkschaften Hilfestellungen an.
    • Informieren Sie einen Vorgesetzten
      Wenn Sie möchten, dass konkrete Schritte unternommen werden, um der Belästigung ein Ende zu setzen, können Sie sich an einen Vorgesetzten oder Ihren Chef wenden – diese sind verpflichtet, dagegen vorzugehen. Bedenken Sie allerdings, dass diese nicht der Schweigepflicht unterliegen und die Situation dann sozusagen offengelegt wird, denn der Vorgesetzte muss anschliessend Massnahmen setzen und der Sie belästigenden Person zum Beispiel eine Verwarnung aussprechen.
    • Denken Sie auch an die Option, rechtliche Schritte einzuleiten
      Sie können sowohl Ihrem Arbeitgeber gegenüber (wenn dieser keine Massnahmen zu Ihrem Schutz getroffen hat) als auch der Sie belästigenden Person gegenüber rechtliche Schritte in die Wege leiten. Im folgenden Abschnitt gehen wir in aller Ausführlichkeit auf die verschiedenen Optionen ein.
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Rechtliche Möglichkeiten bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Wenn Ihre Bemühungen, eine Änderung der Situation herbeizuführen, gescheitert sind und auch seitens des Arbeitgebers bzw. der dort zuständigen Stelle nichts unternommen wurde, stehen Ihnen noch weitere Möglichkeiten offen. Eine davon wäre, die Arbeit aufgrund von Unzumutbarkeit auszusetzen. Wenn Sie lieber kündigen möchten, besteht für Sie auch die Möglichkeit, aufgrund wichtiger Gründe fristlos zu kündigen.

Dies hat keinen Einfluss auf Ihre Lohnansprüche, Sie erhalten denselben Lohn, der Ihnen auch im Falle einer fristgerechten Kündigung zustünde. Sie können zudem eine Klage gegen den Betrieb einreichen, um diesen zu verpflichten, eine Änderung herbeizuführen oder Ansprüche auf Entschädigung, Schadensersatz oder Genugtuung geltend zu machen. Ausserdem können Sie auch rechtliche Schritte gegen die Sie belästigende Person in die Wege leiten. 

Kündigungsschutz während des Verfahrens

Wenn Sie innerbetrieblich, bei der Schlichtungsstelle oder vor Gericht Beschwerde aufgrund der sexuellen Belästigung führen, stehen Sie während des Verfahrens und sechs Monate nach Ende des Verfahrens unter Kündigungsschutz. Das gilt übrigens auch für Zeugen. Sollten Sie dennoch gekündigt werden, können Sie Klage auf Wiedereinstellung einreichen.

Wenn Sie juristisch vorgehen möchten und Unterstützung benötigen, können Sie sich diesbezügliche Auskünfte bei einer Beratungsstelle einholen oder sich an einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht wenden.

Im Folgenden erhalten Sie Informationen zu den verschiedenen Optionen.

Klage gegen den Betrieb

Wenn der Arbeitgeber keine Massnahmen getroffen hat, um Sie vor sexueller Belästigung zu schützen, können Sie auch eine Entschädigung zugesprochen bekommen – und zwar dann, wenn der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er keine angemessenen Massnahmen getroffen hat, die der Verhinderung sexueller Belästigung dienen. Als Grundlage für die Berechnung der Entschädigungssumme wird der Durchschnittslohn in der Schweiz herangezogen, zudem wird die Entschädigung unter Würdigung aller Umstände festgesetzt. Die Entschädigung kann bis zu sechs Schweizer Durchschnittslöhne betragen. Des Weiteren können Sie auch eine Klage auf Feststellung Unterlassung und Beseitigung der sexuellen Belästigung einreichen, um eine Änderung der Situation herbeizuführen. Ausserdem kann auch ein Anspruch auf Schadensersatz und Genugtuung geltend gemacht werden.

Strafantrag oder Klage gegen die belästigende Person

Sexuelle Belästigung gilt als Antragsdelikt. Das heisst: Wenn Sie rechtliche Schritte gegen die Sie belästigende Person einleiten möchten, dann ist ein Strafantrag bei der Polizei einzureichen. Hierfür ist eine Antragsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Beachten Sie jedoch, dass sich dieser Weg nur dann eignet, wenn erhebliche Übergriffe stattgefunden haben. Dabei kann es sich um eine sexuelle Handlung handeln, doch auch eine grobe sexuelle Belästigung durch Worte ist laut Strafgesetzbuch (StGB) mit einer Busse oder Gefängnisstrafe zu bestrafen.

Um einen Strafantrag zu stellen, sollten Sie zudem aussagekräftige Beweise zur Hand haben. Ansonsten laufen Sie Gefahr, dass die Person, die Sie belästigt hat, eine Ehrverletzungsklage gegen Sie einreicht. Ausserdem können Sie unter Umständen Ansprüche auf Schadensersatz und Genugtuung geltend machen. Liegt keine strafbare Handlung vor, können Sie auch gegenüber der Sie belästigenden Person Klage auf Feststellung und Unterlassung einreichen.

Fazit: Diese Optionen können Sie bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ergreifen

Wenn Sie von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen sind, empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig aktiv zu werden. Machen Sie der Sie belästigenden Person klar, dass Sie dieses Verhalten nicht akzeptieren. Vielleicht hilft es Ihnen auch, wenn Sie sich mit Kollegen austauschen – eventuell sind Sie mit Ihren Erlebnissen nicht alleine und können gemeinsam dagegen vorgehen. Wenn Sie nicht möchten, dass andere Mitarbeiter davon erfahren, können Sie sich auch eine der vielen Beratungsstellen wenden. Es gibt auch in manchen Betrieben Stellen, an welche Sie sich in einer solchen Situation wenden können.

Denken Sie auch daran, Ihre Erlebnisse zu dokumentieren, damit Sie im Falle einer Anzeige oder eines Verfahrens die erforderlichen Beweismittel zur Hand haben. Möchten Sie, dass sich die Situation möglichst rasch ändert, können Sie sich auch an einen Vorgesetzten oder Ihren Arbeitgeber wenden – dieser ist verpflichtet, Massnahmen zu Ihrem Wohle zu treffen. Kommt Ihr Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, können Sie die Arbeit aussetzen, fristlos kündigen oder ihn rechtlich belangen. Diese Möglichkeit besteht auch gegenüber der Person, von der Sie belästigt wurden. Bei schweren Formen von sexueller Belästigung sollten Sie sich an die Polizei wenden und einen Strafantrag stellen.

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FAQ: Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Unter sexueller Belästigung versteht man jegliches unerwünschtes und entwürdigendes Verhalten, das einen sexuellen Bezug aufweist oder das jemandem aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit entgegengebracht wird. Es kann sich hierbei zum Beispiel um anzügliche Gesten, Worte oder Taten, Sexismus oder ungewollten Körperkontakt handeln. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann von Mitarbeitern, Kunden, Vorgesetzten oder Lieferanten ausgehen und muss nicht direkt am Arbeitsplatz stattfinden, sondern kann beispielsweise auch bei einem Betriebsanlass geschehen.
Zuallererst können Sie versuchen, die Person direkt anzusprechen und von ihr fordern, dass sie Sie nicht weiter belästigt. Wenn das nichts nutzt, können Sie sich auch Unterstützung holen – sei es von Kollegen oder der für solche Fälle zuständigen Stelle in Ihrem Betrieb. Sie können sich auch an eine Beratungsstelle ausserhalb des Betriebs wenden. Ausserdem können Sie sich an einen Vorgesetzten oder Ihren Arbeitgeber wenden – dieser ist verpflichtet, entsprechend zu handeln. Unterlässt er dies, können Sie die Arbeit aussetzen, fristlos kündigen oder ihn sogar klagen. Auch gegen die Sie belästigende Person können Sie rechtlich vorgehen. Fangen Sie rechtzeitig an, die Vorfälle zu dokumentieren, damit Sie diese auch beweisen können.
Wenn Sie ein Verfahren in die Wege leiten, müssen Sie sich nicht um Ihren Arbeitsplatz sorgen. Sie stehen während des gesamten Verfahrens und für 6 Monate nach dem Verfahren unter Kündigungsschutz. Auch für Zeugen besteht Kündigungsschutz. Sollten Sie dennoch gekündigt werden, können Sie Klage auf Wiedereinstellung einreichen.
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Ein Beitrag unserer juristischen Redaktion

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