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Betriebsübergang § Rechtslage, Definition & Besonderheiten

Wird ein Betrieb von einem neuen Inhaber übernommen, kommt auch auf die Mitarbeiter eine grosse Veränderung zu. Damit der Betriebsübergang möglichst reibungslos vonstatten geht und die Mitarbeiter keinen Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchten müssen, gilt es hier, einige spezielle arbeitsrechtliche Vorschriften einzuhalten. Diese betreffen sowohl den Ablauf vor der Betriebsübernahme als auch die Zeit danach. In diesem Artikel erfahren Sie, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsübergangs beachten sollten.

Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

Rechtslage zum Betriebsübergang

Die arbeitsrechtlichen Auswirkungen eines Betriebsübergangs sind in Artikel 333 des Obligationenrechts (OR) geregelt. Demnach hat der neue Betriebsinhaber mit der Übernahme des Betriebs oder eines Teils des Betriebs die dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zu übernehmen, sofern die Arbeitnehmer dies nicht ablehnen.

Arbeitsverhältnisse, die durch einen Gesamtarbeitsvertrag begründet wurden, sind vom Erwerber des Betriebs ab dem Tag des Betriebsübergangs 1 Jahr lang aufrechtzuerhalten, sofern der Vertrag nicht schon vorher ausläuft oder infolge einer Kündigung endet.

Lehnt der Arbeitnehmer die weitere Beschäftigung nach Betriebsübergang ab, wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aufgelöst. Bis dahin sind der Erwerber des Betriebs und der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Der bisherige und der neue Arbeitgeber haften solidarisch für die Forderungen seitens des Arbeitnehmers, die im Zeitraum vor dem Übergang bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden. Laut Artikel 333a des Obligationenrechts (OR) ist der frühere Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmervertretung oder – wenn es eine solche nicht gibt – die Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem Vollzug des Betriebsübergangs zu informieren.

Die Arbeitnehmer sind über den Grund des Betriebsübergangs und die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Arbeitnehmer zu unterrichten. Sind Massnahmen infolge des Betriebsübergangs beabsichtigt, welche die Arbeitnehmer betreffen, so sind diese rechtzeitig vor dem Entscheid über die Massnahmen zu informieren. Obengenanntes gilt gemäss Artikel 333b des Obligationenrechts (OR) bis auf einige Sonderregelungen auch für einen Betriebsübergang bei Insolvenz – der neue Betriebsinhaber kann in dem Fall jedoch die Übernahme der Arbeitsverhältnisse ablehnen. Auch von einer solidarischen Haftung wird abgesehen.

Definition der Betriebsübernahme

Wird ein Betrieb verkauft oder übertragen und wechselt damit den Inhaber, spricht man von einem Betriebsübergang. Bei einem Betriebsübergang ist besondere Rücksicht auf die Arbeitnehmer zu nehmen. Sie sind zum Einen ausreichend und rechtzeitig über die Änderungen zu informieren, zum Anderen bleibt das Arbeitsverhältnis auch nach der Übernahme des Betriebs erhalten und wird automatisch auf den neuen Arbeitgeber übertragen.

Diese gesetzliche Vorgabe gilt nicht nur für die Übernahme des gesamten Betriebs, sondern auch dann, wenn nur ein Teil des Betriebs auf einen anderen Inhaber übergeht. Es muss dabei kein Vertragsverhältnis zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Betriebsinhaber bestehen, hat also beispielsweise auch dann Geltung, wenn der ursprüngliche Inhaber den Betrieb gepachtet hat, der Pachtvertrag gekündigt wird und der Betrieb durch einen neuen Pächter übernommen wird. Ausserdem gelangt diese Regelung auch bei Fusionen und Outsourcing-Projekten zur Anwendung. Betriebsübernahmen in Zusammenhang mit einer Insolvenz sind davon ebenso erfasst – wenngleich hier einige Sonderregelungen zu beachten sind.

Betriebsübergang bei einem Teil des Betriebs

Die Regelungen für die Betriebsübernahme greifen auch dann, wenn nur ein Teil des Betriebs auf einen neuen Inhaber übergeht, und zwar wenn es sich bei dem Betriebsteil um eine geschlossene organisatorische Einheit handelt.

Eine Ausnahme von den arbeitsrechtlichen Regelungen besteht dann, wenn es infolge der Betriebsübernahme zu wesentlichen Veränderungen der Betriebsidentität kommt, dass also der ursprüngliche Zweck, die Organisation und der individuelle Charakter des Unternehmens nicht bestehen bleiben. In dem Fall könnten die Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis nach dem Betriebsübergang nicht mehr in der Form fortzuführen (zum Beispiel weil es an dem dafür nötigen Know-How fehlt). Daher ist die verpflichtende Übernahme der Arbeitnehmer nur dann vorgesehen, wenn es sich nach der Betriebsnachfolge um die gleiche oder eine ähnliche betriebliche Tätigkeit handelt.

Besonderheiten rund um den Betriebsübergang

Ist eine Betriebsübernahme geplant, ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig zu informieren. Die Arbeitnehmer sind über den Grund des Betriebsübergangs aufzuklären und darüber zu informieren, welche rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen die Betriebsnachfolge für sie bedeutet. Sind in dem Zusammenhang Massnahmen vorgesehen, die die Arbeitnehmer betreffen, so sind sie auch über diese zu informieren. Anschliessend steht den Arbeitnehmern eine Bedenkzeit zu, in welcher sie entscheiden können, ob sie das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Betriebsinhaber weiterführen möchten oder nicht. Der neue Betriebsinhaber hat hingegen keine Entscheidungsfreiheit – er ist zur Übernahme der Arbeitnehmer verpflichtet.

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Übernahme von Mitarbeitern

Eine Übernahme der Mitarbeiter durch den neuen Betriebsinhaber ist dann vorgeschrieben, wenn die Unternehmensidentität gewahrt bleibt, wenn also der Zweck, Charakter und die Organisation des Betriebs beibehalten wird und es sich nach der Betriebsübernahme um dieselbe oder eine vergleichbare betriebliche Tätigkeit handelt. Es obliegt den Arbeitnehmern, die weitere Beschäftigung nach der Betriebsübernahme abzulehnen.

Erfolgt keine Ablehnung seitens des Arbeitnehmers, so geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten mit dem Tag des Betriebsübergangs automatisch auf den neuen Betriebsinhaber über. Da durch die Übernahme der Mitarbeiter kein neues Arbeitsverhältnis begründet wird, sondern das bestehende beibehalten wird, ist eine Probezeit nach der Betriebsübernahme nicht zulässig. Zudem sind die der Betriebsnachfolge vorangegangenen Dienstjahre anzurechnen und auch sämtliche Ansprüche, etwa auf Ferien oder auszugleichende Überstunden, bleiben dem Arbeitnehmer erhalten.

Arbeitsvertrag

Sollte der Arbeitnehmer innert der Frist nicht äussern, dass er die Übernahme des Arbeitsverhältnisses durch den neuen Betriebsinhaber ablehnt, dann bleibt der Arbeitsvertrag bei Betriebsnachfolge aufrechterhalten. Das Arbeitsverhältnis wird entweder rückübertragen oder es wird ein neuer Arbeitsvertrag nach Betriebsübergang abgeschlossen. Wurde das Arbeitsverhältnis durch einen Gesamtarbeitsvertrag begründet, dann ist der neue Arbeitgeber verpflichtet, den Vertrag 1 Jahr lang ab dem Tag des Betriebsübergangs beizubehalten – es sei denn, der Vertrag läuft schon früher aus oder wird infolge einer Kündigung beendet. 

Die Arbeitsverträge werden so übernommen, wie sie vor dem Betriebsübergang bestanden. Es können jedoch Änderungen vorgenommen werden, wenn diese einvernehmlich sind. So kann der neue Betriebsinhaber mit den Arbeitnehmern veränderte Anstellungsbedingungen mittels Abänderungsvertrag vereinbaren. Ausserdem kann das Arbeitsverhältnis jederzeit mittels Aufhebungsvertrag im Einvernehmen zwischen dem neuen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer beendet werden. Der Arbeitnehmer kann unter bestimmten Bedingungen den Aufhebungsvertrag anfechten.

Kündigung und Kündigungsschutz

Der Arbeitnehmer hat eine Art von Kündigungsschutz und darf nicht aufgrund des Betriebsübergangs gekündigt werden. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Betriebsübernahme ist nur seitens des Arbeitnehmers möglich. Dazu hat er die weitere Beschäftigung nach Betriebsübernahme ausdrücklich abzulehnen. Dafür steht dem Arbeitnehmer eine angemessene Bedenkzeit zu. In welchem Zeitraum der Arbeitnehmer seine Ablehnung bekanntgeben muss, ist jedoch nicht gesetzlich geregelt. In der Rechtsprechung hat sich eine Frist von einigen Wochen konstatiert, üblicherweise wird die Frist mit 1 Monat festgesetzt. Abgesehen davon kann der Arbeitgeber eine Frist festlegen, diese sollte jedoch angemessen sein und auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Beginn der Frist ist der Zeitpunkt, an welchem der Arbeitnehmer über die Betriebsübernahme informiert wurde.

Die Ablehnung ist sowohl in schriftlicher als auch in mündlicher Form möglich. Im Falle einer Ablehnung wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist beendet. Läuft die Kündigungsfrist bereits vor der Betriebsübernahme aus, dann bleibt das Arbeitsverhältnis vorerst noch aufrecht und wird mit dem Tag des Betriebsübergangs automatisch gekündigt. Eine nachträgliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Betriebsübergang ist ebenfalls möglich, solange die vorgeschriebenen gesetzlichen bzw. vertraglichen Fristen gewahrt bleiben oder die Kündigung einvernehmlich erfolgt. Für eine Kündigung bestehen also folgende Optionen:

Arbeitnehmer lehnt Übernahme des Arbeitsverhältnisses innert der Bedenkfrist ab:
Arbeitsverhältnis wird unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist beendet. Fällt diese auf einen Zeitpunkt vor der Betriebsübernahme, gilt das Arbeitsverhältnis mit dem Tag der Betriebsnachfolge als beendet.

Kündigung nach Bedenkfrist bzw. nach Betriebsübergang:
Eine Kündigung ist auch nachträglich möglich. Sie kann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich mittels Aufhebungsvertrag vereinbart werden. Eine einseitige Kündigung ist unter Wahrung der Kündigungsfristen bzw. der gesetzlichen Vorgaben zum Gesamtarbeitsvertrag ebenfalls möglich.

Betriebsübergang bei Insolvenz

Wird der Betriebsübergang durch eine Insolvenz veranlasst, dann gelten hierfür einige Sonderregelungen. So ist eine Übernahme der Mitarbeiter mit der Betriebsnachfolge in dem Fall nicht zwingend vorgeschrieben. Der neue Betriebsinhaber kann in dem Fall selbst entscheiden, ob er die Arbeitsverhältnisse übernehmen möchte oder nicht. Auch hier steht es dem Arbeitnehmer offen, ob er das Arbeitsverhältnis nach der Betriebsnachfolge weiterführen möchte oder dies ablehnt. Eine weitere Ausnahme besteht in Bezug auf die Haftung für Forderungen seitens des Arbeitnehmers: Die solidarische Haftung entfällt.

Wie kann ein Anwalt für Arbeitsrecht helfen?

Ein Betriebsübergang sollte möglichst strukturiert und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben vor sich gehen. Um das zu bewerkstelligen kann es für Arbeitgeber sinnvoll sein, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sowohl der ursprüngliche als auch der neue Betriebsinhaber sollten die gesetzlichen Vorgaben kennen und anwenden. Das ermöglicht einen rechtlich fundierten und möglichst reibungslosen Übergang. Ein Rechtsanwalt kann Sie nicht nur über die allgemeine Rechtslage aufklären, sondern Ihnen auch Empfehlungen geben, wie Sie den Betriebsübergang so gestalten können, dass er auch Ihre persönlichen Interessen einbezieht.

Er kann Ihnen unter anderem auch bei der Erstellung von Verträgen helfen, um das Arbeitsverhältnis an die neuen Anforderungen anzupassen. Als Arbeitnehmer stehen Sie im Falle einer Betriebsübernahme unter gesetzlichem Schutz, der gewährleisten soll, dass Ihr Arbeitsverhältnis weiterhin erhalten bleibt. Ausserdem haben Sie das Recht, in angemessener Weise über die Folgen der Betriebsübernahme informiert zu werden. Kommt es seitens Ihres Arbeitgebers zu einer Verletzung der gesetzlichen Vorgaben und sind Sie beispielsweise mit einer missbräuchlichen Kündigung konfrontiert, sollten Sie sich an einen Anwalt wenden.

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FAQ: Betriebsübergang

Geht ein Betrieb auf einen neuen Inhaber über, wird dies als Betriebsübergang bezeichnet. Es muss sich dabei nicht um den gesamten Betrieb handeln, sondern kann auch einen Teil des Betriebs betreffen, so dieser eine organisatorisch geschlossene Einheit bildet. Vor einem Betriebsübergang sind die Mitarbeiter rechtzeitig über die Folgen zu informieren, weiters sind sie vom neuen Betriebsinhaber mitzuübernehmen. Das gilt auch im Falle von Fusionen und Outsourcing-Projekten. Ausnahmen von den gesetzlichen Regelungen bestehen bei einer Insolvenz und wesentlichen Änderungen der Betriebsidentität. Hier ist eine Übernahme der Mitarbeiter nicht vorgeschrieben.
Der neue Betriebsinhaber hat mit der Betriebsübernahme auch die dort beschäftigten Mitarbeiter zu übernehmen. Das geschieht ganz automatisch. Als Arbeitnehmer steht es Ihnen jedoch zu, dies abzulehnen – in dem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist bzw. mit dem Tag der Betriebsübernahme, wenn die Frist schon vor diesem Tag auslaufen würde. Eine Kündigung nach der Betriebsübernahme ist ebenfalls möglich, unterliegt jedoch gewissen Einschränkungen. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, Gesamtarbeitsverträge 1 Jahr lang ab Betriebsübernahme einzuhalten, wenn diese nicht schon vorher auslaufen. Zudem sind die Kündigungsfristen zu wahren, mit Ausnahme der einvernehmlichen Kündigung mittels Aufhebungsvertrag.
Wenn Mitarbeiter übernommen werden, bedeutet dies, dass ihr Arbeitsverhältnis aufrechterhalten bleibt – es wird dadurch also kein neues Arbeitsverhältnis begründet, sämtliche Ansprüche und Errungenschaften des Arbeitnehmers bleiben bestehen (Ferien, Überstunden, Dienstjahre). Um das Arbeitsverhältnis an die neuen Anforderungen anzupassen, können jedoch Änderungen mittels Abänderungsvertrag vorgenommen werden. Ein Abänderungsvertrag bedarf der beiderseitigen Zustimmung.
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Ein Beitrag unserer juristischen Redaktion

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